Lufthansa Exclusive

Datum: 7/2015
Fotos: Carlo Stanga

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Schickt die Kinder in die Wüste!

Mit Kids nach Dubai? Klingt anstrengend. Wir haben es trotzdem ausprobiert. Das Fazit: Mehr Abenteuer kann kein Kind verlangen

Die Vorbereitungen für den Ausflug sind überschaubar. Unser Fahrer Bukhari steigt aus dem Jeep und lässt die Luft aus den Reifen, damit wir nicht im Sand stecken bleiben. Das war’s, schon geht’s los zu den Dünen – und dann über die Dünen. Hinauf werden wir in die Sitze gedrückt, hinab ordentlich hin und her geschleudert. Bukhari brettert über Sandwellen, die der Wind in der Wüste von Dubai aufgeworfen hat. Tochter Nummer eins, Milla, fünf Jahre alt, schreit von der Rückbank: „Jetzt hat sich mein Magen umgedreht! Schon wieder!“ Tochter Nummer zwei, Enni, zwölf Monate, kreischt vor Aufregung. Ein Dünenritt, besser als jede Achterbahnfahrt.

Danach bringt uns Bukhari in ein Beduinen-Camp. Mit anderen Wüstenbesuchern sitzen wir auf Kissen unter Zeltdächern. An dem einen Büfett gibt es landestypisch Hummus und Hammelfleisch, an dem anderen landesuntypisch Alkohol. Wer will, kann auf Kamelen reiten und sich mit einem Falken auf dem Arm oder als Beduinen-Familie kostümiert fotografieren lassen.

Das wollen mein Freund und ich auf keinen Fall. Etwas ratlos stehen wir in dieser albernen 1001-Nacht-Inszenierung. Denn wir wissen, dass Beduinen nicht mehr in Zelten leben und ihre Gucci- Taschen lieber auf dem Beifahrersitz eines Lamborghini als auf einem Kamel transportieren. Aber wie und wieso soll man das zwei Mädchen erklären, von denen das eine begeistert im feinsten Sand krabbelt, der je durch seine Babyhände rann, und das andere dank Disneys „Aladdin“ von fliegenden Teppichen und Geistern in Lampen träumt?

Die Große hat schlichtweg den Abend ihres Lebens – mit Kamelen, Falken, einer Bauchtänzerin. Und als für fünf Minuten im Camp die Lichter ausgehen, damit man die Sterne und eine angestrahlte Düne besser sehen kann, schaut Milla entrückt in den Himmel, beißt dabei in ein Stück Kamelmilchschokolade und schwärmt, dass die Luft in der Wüste so herrlich nach Süssigkeiten rieche. Dass es die Shisha ist, die ein paar Schweden auf dem Teppich nebenan rauchen, behalten wir für uns. Denn tatsächlich hat dieser Moment dann doch selbst für die Erwachsenen etwas Zauberhaftes.

Dieses Wüstenmärchen ist nur ein kleiner Teil des Spektakels, das Dubai für seine Besucher veranstaltet. Seit Jahren überlegen sich die Berater von Scheich Muhammad bin Raschid Al Maktum, wie sie aus dem kleinen Emirat am Persischen Golf die aufregendste Touristenstadt der Welt machen können. Eine mit märchenhaft verrückten Bauprojekten und gigantomanischen Superlativen wie dem höchsten Gebäude der Erde oder dem weltgrößten horizontalen Blumengarten. Entstanden ist eine künstliche Stadt, protzig und mehr als nur ein bisschen größenwahnsinnig. Erwachsene haben meist nach einem kurzen Stopover genug. Doch für Kinder, die nicht wissen, was das Wort Patina überhaupt bedeutet, ist Dubai ein Ort, der sie vom Fleck weg begeistert. Jedes Mal, wenn wir von unserem Zimmer im „Atlantis, The Palm“ zu einem der 17 Restaurants (darunter Ableger von Sternelokalen in New York, Paris, London) oder dem pudersandigen Privatstrand gehen, bleiben unsere Mädchen lange vor den deckenhohen Scheiben des Aquariums stehen. Und wir freuen uns darüber, dass die Kinder sich freuen. Nach diesem einfachen Prinzip funktionieren Familienurlaube ja ohnehin am besten.

Gleich neben dem Hotel liegt Aquaventure, ein Wasserpark mit künstlichen Lagunen, künstlicher Brandung, künstlichen Wildwasserschnellen. Um das Ganze noch spektakulärer zu machen, führt am Ende eine der vielen Wasserrutschen durch ein Haifischbecken. Mehr Abenteuer kann kein Kind (und kein kindlicher Erwachsener) verlangen.

Auf der Suche nach einem öffentlichen Strand müssen wir runter von der künstlich angelegten Insel „The Palm, Jumeirah“, auf der sich unser Hotel befindet. Bislang nicht gerade für Traumstrände berühmt, hat Dubai sich Mühe gegeben und erst kürzlich die Promenade aufgehübscht – mit Joggingpfad, Sonnendächern in Wellenform und futuristisch anmutenden Kiosken. Der Weg am Strand führt uns an einem Touristenauflauf vorbei. Mit aufgekrempelten Hosen waten Schaulustige ins Wasser, um sich vor dem segelfömigen „Burj Al Arab“, dem angeblich ersten Sieben- Sterne-Hotel der Welt, fotografieren zu lassen.

Wir wollen zum Kite Beach, wo bunte Drachen über dem Sand schweben, auch Volleyballfelder und einen Food-Truck mit Burgern gibt es dort. Sport unter der Sonne Dubais ist allerdings nur wenige Wochen im Jahr empfehlenswert, wenn man keinen Hitzschlag riskieren möchte. Im April wird es über 30 Grad heiß, in den Sommermonaten über 40 Grad, nachts kühlt es kaum ab. Die beste Zeit, um nach Dubai zu reisen, ist der europäische Winter: Während die Einheimischen leicht frösteln, tauschen Touristen nach sechs Stunden Flugzeit freudig Wollmützen gegen Badehosen ein.

Zwischen Mai und November hält man es in Dubai nur im Pool, im klimatisierten Auto oder in einer der vielen Malls aus. Auf ihre gigantischen Einkaufsoasen sind die Einheimischen besonders stolz. Die Gebäude vereinen alles, worauf man im Emirat Wert legt: Internationalität, elegante Atmosphäre, grosszügige Architektur sowie Sauberkeit und Sicherheit. In der Dubai Mall oder der Mall of the Emirates kann man seinem Sohn das erste Burberry-Mäntelchen kaufen oder der Tochter ein Kleid von Roberto Cavalli. Unsere Kleinen rennen unterdessen über den Marmorboden – von einem 15 Meter hohen Wasserfall zum goldenen Kamel, dann zu einer gerade stattfindenden Tischtennis-Meisterschaft. Wobei Dubai kein Schnäppchen-Land ist. Aber man muss ja nicht shoppen. Schlittschuhfahren geht auch. Oder Skilaufen.

Kontakte zwischen Touristen und Einheimischen sind offenbar weder vorgesehen noch erwünscht. Die rund 200 000 Emirati, die zu einer Minderheit in ihrem eigenen Land geworden sind, sitzen nicht am Steuer eines Taxis, tragen keine Koffer und kellnern auch nicht. Das haben sie nicht nötig. Sie bekommen vom Scheich monatlich eine Art Grundgehalt, einfach dafür, dass sie Emirati sind. Die „niederen Arbeiten“ übernehmen Immigranten aus Pakistan, Indien oder von den Philippinen. Von ihnen haben die Mädchen in den vergangenen Tagen dafür so viel Aufmerksamkeit bekommen, als wären sie Paris und Nicky Hilton. Wer unter zehn Jahre alt ist, wird in Dubai prinzipiell angestrahlt und mit einem verzückten „Hello, Baaaaaabyyyyy!“ begrüsst.

In der Dubai Mall befindet sich auch der Eingang zum höchsten Gebäude der Welt, dem Burj Khalifa. In ein paar Sekunden geht es hinauf zur Aussichtsplattform im 124. Stockwerk, wo Milla sich die Nase an den Scheiben platt drückt. Auf der einen Seite glitzert das Meer mit den Inselgruppen The Palms und The World in der Sonne. Auf der anderen Wüstensand, aus dem vereinzelt goldglänzende und gläserne Wolkenkratzer wie Speerspitzen ragen. Aus dieser Perspektive wird man schnell daran erinnert, dass Dubai eine Stadt ist, die quasi aus dem Nichts entstand. Noch in den Sechzigern fuhren hier kaum Autos, das erste Hochhaus wurde erst 1973 in den Wüstensand gesetzt. Und jetzt das. Was kann da noch alles kommen? Als Nächstes die Weltausstellung Expo 2020. Bis dahin soll sich die Zahl der Hotels in Dubai verdoppeln – auf dann über 850. Zudem ist ein riesiger Vergnügungspark namens DubaiLand geplant – mit Dinosauriern, künstlichem Regenwald und dem größten Riesenrad der Welt.

In die nächste Attraktion stolpern wir eher zufällig, als wir aus der Dubai Mall in die Dämmerung treten. Um den See, den wir vom Burj Khalifa als türkisfarbene Fläche sehen konnten, haben sich Menschen versammelt, sie tragen ihre Kinder auf den Schultern, sie haben Kameras in der Hand und ihre Selfie-Sticks ausgefahren. Boote mit bunten Lichterketten warten auf dem Wasser. Irgendetwas scheint hier gleich zu passieren. Arabische Popmusik ertönt, dann schießen Wasserstrahlen tanzend in die Luft. Später lesen wir, die Fontäne im Lake Burj Dubai sei die größte der Welt. Nun, alles andere hätte uns auch wirklich sehr erstaunt.