Ein Kreativer mit Taschenrechner
Bernd Eichinger will kein Geschäftsmann sein. Dummerweise ist er aber Deutschlands erfolgreichster Filmproduzent. Wie passt das zusammen?
Vielleicht sind es die Kopfschmerzen. Bernd Eichinger hat sich von seiner Assistentin zwei Aspirin auflösen lassen. Drei horizontale Kerben sitzen tief zwischen den buschigen Augenbraun. „Wenn Sie mit mir übers Geschäftsleben sprechen wollen, dann haben Sie hier den falschen Mann vor sich sitzen“, ist nach einem kurzen Hallo, der erste Satz aus dem Mund von Deutschlands erfolgreichstem Produzenten.
Obwohl es in Bernd Eichingers Kopf wie verrückt pochen muss, zündet sich der Mann erst einmal eine Zigarette an. Eine von vielen, die während des Gesprächs noch folgen werden. Eichinger sitzt im Hamburger Park Hyatt Hotel hinter einem großen Tisch. Wie fast immer trägt er die Kleiderkombination dunkles Sakko und helles Hemd zu weißen Chucks und hellblauer Jeans. Business meets Freestyle.
Als Geschäftsmann bezeichnet zu werden, mag Eichinger gar nicht. Der Entdecker von Til Schweiger und Jungregisseuren wie Nico Hofmann sieht sich selbst viel mehr als kreativen Kopf, denn als Geldjongleur: Dabei macht Eichinger seit Jahrzehnten Millionendeals und achtet penibel darauf, dass Budgets eingehalten werden. 1999 ging er mit der Constantin Film an die Börse. Vor fünf Jahren zog er sich allerdings als Vorstandschef zurück, um sich stärker auf die Entwicklung von profitablen Eigenproduktionen zu konzentrieren.
„Ich bin verantwortlich dafür einen guten Stoff zu finden, kümmere mich um den richtigen Regisseur, die richtige Besetzung und um ein gutes Drehbuch“, erklärt der Kreative mit dem Taschenrechner seinen Job. Eichinger wollte schon immer mehr sein als ein Produzent, hat Drehbücher geschrieben und ein paar Mal Regie geführt. Auch beim Skript zu seinem jüngsten Projekt, der Verfilmung von Patrick Süskinds Bestsellers „Das Parfum“, hat der Filmemacher selbst Hand angelegt.
Und statt über Verhandlungen und Vertragsabschlüsse zu reden, spricht der Sohn eines Arztes lieber darüber, wie er sich vier Wochen lang mit Regisseur Tom Tykwer und dem Drehbuchautor Andrew Birkin in der südfranzösischen Parfümmetropole Grasse eingemietet hat – zum Schreiben und zur Inspiration: In den traditionsreichen Duft-Destillerien ließ sich das Männer-Trio alte Gerätschaften erklären. Für seine engagierte Vorrecherche ist Eichinger bekannt. Vor den Dreharbeiten zum Film „Der Untergang“, zu dem er ebenfalls die Textvorlage beisteuerte, soll er in einen wahren Hitler-Lektürewahn verfallen sein.
Hat sich sein Empfinden für Düfte während der Zeit in Grasse verändert? Eichingers Antwort: „Nein“. Und wenn er einen Geruch von den Dreharbeiten festhalten könnten, welcher wäre das? „Keiner.“ Was ist sein Lieblingsgeruch? „Gibt’s nicht.“ Hat er noch nie darüber nachgedacht, was er gern riecht? „Nein.“ Eigentlich sollte es den Produzent von „Das Parfum“ nicht wundern, dass Journalisten ihm zum Start des Films wissbegierige Fragen über seinen Geruchssinn stellen. Aber wenn Eichinger keine Lust hat zu antworten, dann lässt er es bleiben. „Ich halte es für durchaus ok, dass sie das fragen. Aber was dabei rauskommt, ist doch eh nur Blödsinn“, sagt er.
Konsequenz ist sicherlich eine von Eichingers Stärken. Ohne große Umwege ist er auf die Produzentenkarriere zumarschiert: Bereits mit 25 Jahren und einem geliehenen Startgeld von 20 000 Mark gründete er 1974 seine eigene Produktionsfirma Solaris. 1979 stieg er bei der maroden Constantin Film ein, kaufte Ludwig Eckes (von „Eckes Edelkirsch“) 25 Prozent ab, um dann kaum ein Jahr später seinen Anteil aufzustocken.
Als Patriarch und Frontmann seiner Firma baute er Constantin zu einem internationalen Medienunternehmen auf. Statt kleiner Autorenfilme wie bei Solaris standen Blockbuster auf dem Programm. Gleich eine seiner ersten Constantin-Produktionen sorgt für Aufsehen: „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Mit einem Einspielergebnis von knapp 40 Millionen Mark wird die Geschichte über das Schicksal von Drogenabhängigen der bis dahin erfolgreichste deutsche Film der Nachkriegsgeschichte.
Auch in Amerika macht sich der Mann aus Neuburg an der Donau einen Namen. Echtheit wird ihm nachgesagt – in Hollywood sicherlich ein großes Lob. Seit 17 Jahren pendelt Eichinger zwischen seinem Münchner Büro an der Kaiserstrasse in Schwabingen und seiner Dependance in Los Angeles.
Vielleicht sind es die Kopfschmerzen, die langsam verschwinden, vielleicht ist die Zeit rum, die der als Egomane bekannte Eichinger zum Auftauen braucht. „Er hat so was, was einem Angst machen kann, aber je näher man ihn kennt, desto besser kommt man mit ihm zurecht“, beschreibt Parfum-Hauptdarsteller Ben Whishaw das Kennenlernen mit seinem Arbeitgeber. So oder so, etwas unerwartet mag Eichinger dann doch über die olfaktorische Eigenschaften von München und Los Angeles sprechen.
Er räuspert sich, holt tief Luft und startet mit „Na gut...“ Während er mit der amerikanischen Filmstadt eine „üble Geruchsmischung unter einer Dunstglocke“ verbindet, gerät er bei München ins Schwärmen: „München hat sehr unterschiedliche Gerüche, den Jahreszeiten entsprechend. Am besten riecht der Frühling. Wenn alles sprießt und die Bäume ausschlagen, dann riecht das sehr frisch und angenehm. Nach Freizeit“, sagt Echinger bedacht und leise. Dann lacht er. Laut.
Eichinger ist ein Wechselbad aus schroffer Abweisung und liebenswertem Charme. Wenn er lacht, was gar nicht selten vorkommt, dann richtig. Dabei werden seine Augen zu kleinen Schlitzen, der Mund steht offen. Beim Gespräch schaut er seinem Gegenüber nur selten direkt in die Augen. Dass er in seiner derb-bayrischen Art schon mal „verschissen“ sagt, macht ihn sympathisch. Dass er kein Parfum benutzt, überrascht da auch nicht weiter. Der Mann, der sagt, er könne Schnee riechen, bevor er fällt, trägt Nivea-Creme und seit 25 Jahren „Speik“-Rasierwasser: „Das ist purer Alkohol. Ich hasse es, wenn Rasierwasser duftet.“ Wer Eichinger näher kommen möchte, sollte also nicht gerade eine Duftwolke vor sich hertragen.
Und auch kryptische Fragen wie „Wie riecht für Sie Erfolg?“ sollte man besser für sich behalten: „Erfolg riecht nicht. Man hat ihn oder man hat ihn nicht“, schießt es über den Tisch. So einfach ist das in der Welt des Bernd Eichingers. Über Mangel an Erfolg konnte sich der 57jährigen nie beklagen. Ob „Die Unendliche Geschichte“, „Der Untergang“, „Fantastic Four“ oder „Der Schuh des Manitu“, Eichingers Filme füllten verlässlich die Kinos. 1996 ernannte die „Zeit“ ihn zum „Königsmacher des jüngsten deutschen Films“. In der Top-Ten der deutschen Blockbuster der letzten 20 Jahre stammen fünf aus dem Hause Eichinger.
Eichingers Schlüssel zum Erfolg ist sein Gespür für publikumswirksame Filmstoffe: „Ich werde angesprungen von Themen und von Menschen“, sagt er. Häufig lauern diese auf ihn in Bestseller-Romanen wie „Das Geisterhaus“ oder „Der Name der Rose“. Aber auch seichte Lektüre kann Eichinger anfallen. So brachte er Hera Linds Frauen-Schmöker „Das Superweib“, die Brachial-Humor-Vorlagen „Werner Beinhart!“ und „Werner – Gekotzt wird später!“ auf die Leinwand. Mit internationalen Großproduktionen hat sich Eichinger einen Namen, mit deutschen Komödien Kasse gemacht.
Wenn Eichinger meint, den richtigen Stoff gefunden zu haben, bleibt er hartnäckig. Viele Jahre hat er um die Filmrechte zu „Das Parfum“ gekämpft – auch nachdem Süskind Größen wie Spielberg und Scorsese abblitzen ließ, nicht aufgegeben. „Als ich dann herausgefunden habe, dass Süskind nach 15 Jahren eventuell doch verkauft, bin ich sofort zu seinem Verleger nach Zürich geflogen. Der hat eine Summe aufgerufen, die wurde dann bezahlt“, sagt Eichinger. Dabei soll es sich um etwa zehn Millionen Euro gehandelt haben.
„Bernd lebt in der ständigen Gefahr, eines Tages wegen seiner Passion fürs Filmemachen schier platzen zu müssen“, sagt der englische Schauspieler Alan Rickman, der in „Das Parfum“ eine Nebenrolle spielt. Gewöhnlich mischt Eichinger bei seinen Produktionen von der Drehbuchentwicklung bis zum Schnitt kräftig mit. Am Set vom Parfum war er so gut wie jeden Tag. Den Vorwurf ein Kontrollfreak zu sein, weist er aber entschieden zurück. Seine Anwesenheit sei eher als Fürsorge zu verstehen: „Die Regisseure sind im Prinzip eifersüchtig, wenn ich beim Dreh nicht dabei bin, weil sie denken, dass mich das jetzt nicht interessiert“, so Eichinger. Noch nie sei er mit einem Regisseur aneinander geraten.
Auch beim späteren Fotoshooting weiß Bernd Eichinger genau, was er will – und vor allem was er nicht will. Nur zu einem Bild mit einer Rose in der Hand kann man ihn überreden („Mehr macht Herr Eichinger nicht“). Er hat sich in einem thronartigen Hotelsessel platziert, die Beine übergeschlagen. Ein Turnschuh liegt auf seinem Oberschenkel. Sein Jackett zupft er sich selbst zurecht und als man ihm sagt, er solle ein wenig nach vorn rutschen, findet er, dass das „doch blöd aussieht“. „Einen leichten Anflug von Lächeln“, bittet der Fotograf. Eichingers Mundwinkel gehen ein wenig nach oben.
Am Ende posiert er noch einmal auf der Kante des Hotelbetts: „So, jetzt haben mich die Mädels auch mal im Bett gesehen“, scherzt er. Ein Witz, der, von Eichinger nicht unbemerkt, schnell in den Block notiert wird. „Ja, jetzt schreibt die Presse wieder: Der Eichinger, der ist halt so.“ Genau.