www.sandrawinkler.de / Das ist ja wie im Film hier / 2024-03-29 07:45:26
Es gibt drei Gründe, warum Sie die kleine Fidschi-Insel Turtle Island bereits kennen könnten. Erstens: Sie interessieren sich brennend für alles, was Britney Spears tut, und wissen, dass sie mit ihrem jetzigen Exmann Kevin Federline dort die Flitterwochen verbrachte. Zweitens: Sie sind Cineast und kennen das Original des Films „Die Blaue Lagune“ von 1949, in dem sich Jean Simmons und Donald Houston leicht bekleidet im nassen Sand der Insel wälzen. Drittens: Sie haben als Teenager in den 80er-Jahren das Remake des Films gesehen, das ebenfalls dort gedreht wurde, dieses Mal mit Brooke Shields und Christopher Atkins halbnackt am Strand.
Turtle Island ist die perfekte Kulisse für Liebesfilme und Liebespaare: Hier gibt es keine Autos, keine Telefone, keine Fernseher. Dafür 14 Privatstrände für höchstens 28 Gäste und 14 Holzhütten mit Strohdächern und der berühmten Blauen Lagune direkt vor der Tür. Die Gästehäuser im traditionellen Südsee-Baustil bieten mit Riesenbett, wunderbar dicken Kissen, schneeweißer Bettwäsche, extragroßem Sofa, Whirlpool und einem Kühlschrank, der stets frisch gepresste Säfte und Champagner enthält, genau die Art von Luxus, die man von einer Liebesreise erwartet. Um das Idyll für Hochzeitsreisende und andere Paare makellos zu machen, haben Alleinstehende auf Turtle Island erst gar keinen Zutritt. Bis auf ein paar festgelegte Familienwochen im Jahr steht die Insel ausschließlich Pärchen zur Verfügung.
Der Besitzer des Paradieses kam allerdings allein auf die Insel. Das war 1972, und der Amerikaner Richard Evanson, ein Unternehmer mit massiven Alkoholproblemen, war gerade frisch geschieden worden. Er verkaufte seine Firma und bestieg ein Flugzeug nach Australien, wo er den Erlös investieren wollte: immerhin vier Millionen Dollar. Auf dem Weg dorthin wollte er noch ein Wochenende auf den Fidschi-Inseln verbringen.
In einer Bar in Nadi, der drittgrößten Stadt der Inselgruppe, traf der Millionär einen Mann, der gerade eine Kaufoption für 50 000 Dollar auf das 200 Hektar große Turtle Island unterschrieben hatte. Der kleine grüne Fleck im Pazifischen Ozean gehört zu den Yasawa-Inseln, rund 20 ehemaligen Vulkankratern, die, aufgereiht in Form einer Augenbraue, nördlich der Fidschi- auptinsel Viti Levu liegen. Turtle Island hat eine überbordende tropische Vegetation, umringt von weißem Sand mit korallengefüllten Lagunen und dem tiefblauen Wasser der Südsee.
Richard Evanson, der schon immer Herr über eine eigene Insel sein wollte, ergriff die Chance. Nach einem kurzen Rundflug bezahlte er dem Mann 300 000 Dollar und Turtle Island gehörte ihm. Er kaufte ein Zelt, einen Generator, einen Kühlschrank und ein Funkgerät und ließ sich von einem Helikopter auf dem Eiland absetzen.
Damit begann eine klassische Aussteigergeschichte von einem Mann und seiner Insel, auf der er ein neues Leben findet. Der entscheidende Unterschied war allerdings, dass Richard Evanson reicher und professioneller war als andere Zivilisationsflüchtlinge. Er verwandelte sein privates Paradies in eines der schönsten Luxusresorts der Welt.
Der Amerikaner war, so die Legende, gerade eine Stunde auf der Insel, als er bereits mit dem Aufbauprojekt begann. Ein einheimischer Junge paddelte auf den Strand zu und fragte, ob er dem Neuankömmling etwas zur Hand gehen solle. „Wenn du mir 20 deiner Freunde schickst, dann gibt es hier viel Arbeit“, antwortete Evanson. Der Junge brachte ihn zum Stammeshäuptling auf die Nachbarinsel, und nach zwei Verhandlungstagen und einer Menge Kava (ein alkoholfreies Getränk, das nach Schlamm schmeckt und von den Fidschianern als Willkommensdrink ausgeschenkt wird) beschlossen die Einheimischen, ihm beim Bau seines neuen Zuhauses zu helfen.
Dass daraus Jahre später ein kleines Resort wurde, daran ist Hollywood Schuld. Als der Locationscout von Columbia Pictures nach dem passenden Drehort für das Remake des Films „Die Blaue Lagune“ suchte, besann er sich auf die Kulisse des Originals. Weitere Hütten wurden für das Team und die Darsteller gebaut, die ganze Insel für sechs Monate in ein riesiges Filmset verwandelt. Als der Trubel vorbei war, blieben die Hütten.
Und Evanson kam die Idee, eines der exklusivsten Resorts der Welt zu eröffnen. Er jagte die verwilderten Ziegen, die über Jahre das Land fast kahl gefressen hatten und pflanzt seither jedes Jahr bis zu 20 000 Setzlinge. Zwölf Kilometer Wanderwege ließ er durch den Dschungel schlagen, legte einen Garten an, in dem 90 Prozent des Obstes, Gemüses und der Kräuter gezogen werden, die das Resort braucht – natürlich alles bio. Und er baute weitere Häuschen, ein Restaurant und ein Spa.
Eigentlich sind es nur zwei Dinge, die einen davon abhalten können, nicht sofort auf die Insel zu fliegen. Da wäre zunächst der Preis: Eine Übernachtung im Bungalow kostet rund 1 200 Euro, sechs Nächte sind Minimum. Dann der Flug: Von Deutschland aus dauert es mehr als 20 Stunden und zwei Zwischenstopps, bis man überhaupt auf Viti Levu landet, der Hauptinsel der Fidschi- ruppe. Von dort aus geht es mit einer Privatmaschine weiter nach Turtle Island. Danach hat man Erholung bitter nötig.
Und man bekommt sie zum Glück auch. Mit dem Aufsetzendes Wasserflugzeugs in der Blauen Lagune beginnt eine Woche, in der man seinen Kopf nur braucht, um einen Sonnenhut darauf zu setzen. Nachdem Einheimische dem Gastpaar Blumenketten um den Hals gelegt, ein Gitarrenständchen und eine frisch aufgeschlagene Kokosnuss gebracht haben, wird ihnen ihre ganz persönliche „Bure Mama“ vorgestellt.
Bure ist ein traditionelles fidschianisches Haus, die Bure Mama dessen Hüterin und eine Art Butler mit mütterlichen Zusatzfunktionen. Sie macht in den kommenden Tagen nicht nur die Wäsche ihres Gastpaares und zeigt ihm die schönsten Strände. Sie organisiert auch Ausflüge, erklärt die Kultur der Fidschianer sowie Flora und Fauna der Inseln.
Wenn man will, läuft sie sogar den ganzen Tag mit einem Fotoapparat hinter einem her, um Bilder zu machen, auf denen nicht nur er oder sie, sondern beide zu sehen sind. Wahrscheinlich würde sie einem auch die Postkarten schreiben, wenn man sie darum bäte. Auch um Trinkgeld oder zu unterschreibende Quittungen muss man sich auf Turtle Island keine Gedanken machen. Was gegessen oder getrunken wird, der Lobster, der Champagner: Alles ist im Preis inbegriffen, auch Tauchausflüge und Massagen.
Der wohligen Passivität, die die Rundumversorgung bietet, steht als Ausgleich immer ein Angebot an Aktivitäten gegenüber. Jeden Morgen wird eine schwarze Tafel an den Frühstückstisch gebracht, vollgeschrieben mit allem, was man an diesem Tag machen kann: tiefseefischen, schnorcheln, reiten am Strand, ein Besuch der Nachbarinsel. Gern zu zweit, aber auch in einer Gruppe.
Denn trotz Singleverbot soll es die isolierte Zweisamkeit auf Turtle Island nur in kleinen Dosierungen geben, so will es Evanson. Im Gegensatz zu manch anderer Flitterinsel werden die Paare dazu angehalten, sich untereinander kennenzulernen. So treffen sich die Inselgäste meistens zum gemeinsamen Abendessen an einer langen Tafel am Strand, auf der Krabben, Thunfisch, gegrillte Languste mit Zitronengras – frisch aus dem Meer natürlich – oder Schweinefilet mit Honig und Ingwer serviert werden. Passables Englisch ist an der langen Tafel eine Grundvoraussetzung, denn die meisten Gäste kommen aus den USA, einige aus Neuseeland und Australien. Fast alle sind zwischen 30 und Mitte 40 – und nicht zum ersten Mal hier.
Will ein Paar doch einmal Zeit für sich allein haben, kann es sich einen Privatstrand reservieren. Manche, so wird vermutet, laufen in der inszenierten Einsamkeit dann zu Filmreife auf: leicht bekleidet im nassen Sand der Blauen Lagune.
© Sandra Winkler
Vanity Fair 48/07
Fotos: Mikkel Vang